„Lasst uns nicht nur Zuschauer*innen sein, sondern als Anwälte von Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden auftreten, die für den tiefen Respekt vor der Würde des menschlichen Lebens eintreten – und zwar des Lebens aller Menschen“, heißt es in einem offenen Brief der Wissenschaftsorganisationen Israels an die akademische Welt.
Die Humboldt-Stiftung teilt diese Auffassung, hat die bestialische Attacke der Hamas verurteilt und steht in Solidarität mit den Freundinnen und Freunden in Israel.
„Ich bin sehr besorgt über den Antisemitismus und die Situation im Nahen Osten. Ich appelliere an alle Mitglieder der Humboldt-Familie, wo immer nötig für die Sicherheit von jüdischen Kolleg*innen und Studierenden egal welcher Nation einzustehen“, sagte Stiftungspräsident Robert Schlögl.
Was das Massaker der Hamas für Folgen hat, berichten die Humboldtianer Assaf Gal (Rehovot, Israel) und Omri Boehm (New York, USA).
Assaf Gal erforscht am Weizmann Institute of Science in Rehovot, durch welche Mechanismen Algen komplexe anorganische Materie bilden, deren spektakuläre, mineralogische Morphologie jedes menschgemachte Material übertrifft. Gal war von 2015 bis 2017 Humboldt-Forschungsstipendiat am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.
Der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm ist Associate Professor an der New Yorker New School for Social Research, an der auch Hannah Arendt lehrte. Mit einem Humboldt-Forschungsstipendium war er von 2015 bis 2018 Postdoktorand an der LMU München, wo er gerade erneut zu Gast ist. Boehm ist unter anderem Verfasser des 2020 erschienenen Buches „Israel – Eine Utopie“ (Ullstein).
Humboldt-Stiftung: Dr. Gal, Rehovot liegt nur 50 km Luftlinie von Gaza entfernt. Welche Auswirkungen hatte der 7. Oktober auf Ihre tägliche Arbeit am Weizmann-Institut und das Wissenschaftssystem in Israel insgesamt?
Assaf Gal: Meine Forschungsgruppe besteht aus zehn Mitgliedern, fünf von ihnen sind jetzt im Ausland, zwei sind eingezogen worden, wir sind also noch drei. Zurzeit erleben wir noch ungefähr jeden zweiten Tag Alarm wegen Raketenbeschuss. Wir können also nicht normal arbeiten. Viele Studierende sind eingezogen worden und kurz nach der Attacke sollten möglichst wenig Menschen auf der Straße sein. Der Beginn des akademischen Jahres in Israel ist verschoben worden, denn viele Studierende sind nicht da und viele Einrichtungen haben nicht genug Schutzräume. Im Dezember soll es aber wieder aufgenommen werden.
Professor Boehm, wie schätzen Sie die Folgen der Hamas-Attacke auf die israelische Gesellschaft ein?
Omri Boehm: Israel wurde immer als sichere Heimstatt wahrgenommen. Wie sicher wir wirklich waren, stand auf einem anderen Blatt. Wir waren uns darüber im Klaren, dass wir an einem gefährlichen Ort lebten, in einer angespannten Situation. Um ehrlich zu sein, haben wir uns nicht hundertprozentig sicher gefühlt, sondern darauf gesetzt, dass wir uns militärisch verteidigen können. Ja, die Bedeutung Israels als Heimstatt erwuchs nicht aus einem Gefühl der Sicherheit, sondern aus der Fähigkeit, sich aus eigener Kraft schützen zu können. Und dieses Gefühl ist in der Tat untergraben worden und es wird dauern, es wieder herzustellen. Ich fürchte, viele Menschen wollen diesen Vorgang beschleunigen, indem man kriegerisch gegen Gaza vorgeht.
Das vollständige Interview finden Sie auf der Website der Humboldt Stiftung.
Quelle: Humboldt-Stiftung