Der Shimon-Peres-Preis 2023 geht an zwei deutsch-israelische Kooperationsprojekte, die herausragende Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von jungen Menschen aus beiden Ländern sind. Beide Initiativen haben die gesellschaftliche Diversität und das Miteinander der Kulturen in den Mittelpunkt gestellt und sich weit über ihr Themengebiet hinaus mit gesellschaftlichen Fragen beschäftigt. Die Teilnehmenden wirken als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren weit über ihre Projekte hinaus. Die Kooperationen knüpfen an das Erbe von Shimon Peres an, der sich stets für Dialog und Begegnung der jungen Generation eingesetzt hat.
– ein generationsübergreifendes Geschichtsprojekt
Ein gemeinsames Projekt des
„Um vorwärts zu kommen, muss man seine Vergangenheit kennen”, ist ein altes Sprichwort aus der Organisation Hashomer Hatzair [hebräisch: Der junge Wächter]. 2012 wurde die progressiv ausgerichtete jüdische Jugendbewegung in Deutschland wiederbelebt, nachdem die Organisation im Nationalsozialismus Ende der 1930er verboten wurde. Zehn Jahre nach ihrer Wiedergründung widmete sie sich nun den Spuren und Erinnerungen ihrer Vorgängerin, um den Bruch in der eigenen Geschichte aufzuarbeiten und im Sinne des Sprichwortes einen Neuanfang einzuleiten.
Hierfür wurden über 300 frühere Mitglieder und deren Nachfahrinnen und Nachfahren in Israel ausfindig gemacht und deren Geschichten über das Leben als jüdische Jugendliche in Deutschland kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erforscht und dokumentiert. Durch die Hilfe zahlreicher jüdischer und nicht-jüdischer Freiwilliger und die Unterstützung von etlichen Kooperationspartnern in Deutschland und Israel konnte daraus ein digitales Archiv zur Geschichte des Hashomer Hatzair in Deutschland aufgebaut werden, das in einem solchen Umfang bisher weder in Deutschland noch in Israel existierte.
Die Ergebnisse flossen zudem in ein Brett- und ein Kartenspiel ein, die als pädagogisches Material einen generationenübergreifenden Austausch unterstützen. In Zusammenarbeit mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung werden diese auch anderen Bildungseinrichtungen zur Vermittlung von jüdischem Leben in Deutschland zugänglich gemacht. Zu Ehren der Familien einiger ehemaliger Mitglieder wurden zudem Stolpersteine verlegt.
Das zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft angesiedelte Projekt steht symbolisch auch für die emotionale Entscheidung der Organisation, sich nach der Shoah wieder in Deutschland anzusiedeln und neue Generationen von jungen Wächterinnen und Wächtern mit demokratischen und humanistischen Werten und Handlungsmöglichkeiten auszustatten.
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Woher kommt der Hass?
Ein gemeinsames Projekt der Initiative „VTUU – Viel Theater um uns!“ des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in Hamburg in Zusammenarbeit mit der Sha’ar HaNegev High School in Sderot, dem Jaffa Theatre in Tel Aviv Old Jaffa, dem Almehabash Theatre in Rahat sowie weiteren Institutionen und Bildungseinrichtungen in beiden Ländern
Relativierung der Shoah, Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Islamophobie. Woher kommt der Hass, der solchen demokratieschwächenden Phänomenen zugrunde liegt? Wie kann man diesen gemeinsam entgegentreten?
Aufbauend auf einem Vorläuferprojekt und um diesen Fragen weiter nachzugehen, brachte das bilaterale Kunst- und Theaterprojekt Jugendliche aus Hamburg Wilhelmsburg – überwiegend mit Migrationsgeschichte – mit gleichaltrigen jüdischen und arabischen Israelis aus Sderot und Rahat im Süden Israels zusammen. In gemeinsamen Workshops in Deutschland und Israel beschäftigten sich die Jugendlichen unter der Anleitung von professioneller Kunstschaffender, Pädagoginnen und Pädagogen mit Identität, Zugehörigkeit, Rassismus, Antisemitismus, Erinnerungskultur und mit den historischen und sozialen Kontexten beider Ländern. Die Auseinandersetzung mit den Lebenswelten der jeweils „Anderen“ war hierbei sehr wichtig.
Gemeinsam wurden Theateraufführungen entwickelt, die in Hamburg und Jaffa mehrfach öffentlich aufgeführt wurden. Des Weiteren gab es eine begleitende Ausstellung in Tel Aviv, einen Flashmob in Jerusalem sowie Performances in beiden Ländern. Damit die Botschaft der Zusammenarbeit möglichst viele Menschen erreicht, wurde das Projekt filmisch begleitet.
Durch die spielerische Herangehensweise in diesem pädagogisch-künstlerischen Theaterprojekt wurde ein Raum für Begegnung, Austausch und Empathie geschaffen, in dem die Jugendlichen gemeinsam an positiven Zukunftsvisionen arbeiten konnten. Die gemeinsame Arbeit an den Theaterstücken trug nachhaltig zum Empowerment der Teilnehmenden bei und förderte deren demokratische Teilhabe.
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Quelle und weitere Informationen: stiftung deutsch-israelisches zukunftsforum