Von Uta Deffke
Hier tauschten sich deutsche und israelische Forscherinnen und Forscher über die neuesten Entwicklungen ihrer Projekte aus, die gemeinsam vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem israelischen Ministry of Science, Technology and Space (MOST) gefördert werden. Gleich zwei der Projekte beschäftigen sich mit dem störenden Wachstum von Biofilmen an Leitungssystemen und Membranen, welche zu erheblichen Effizienzverlusten führen.
Kaum fingernagelgroß ist das schwarze Kunststoffobjekt, das Harald Horn, Professor für Wasserchemie und Wassertechnologie am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) aus seiner Tasche zieht. Dieser sogenannte Dripper ist das Herzstück von landwirtschaftlichen Bewässerungsanlagen, die jede Pflanze auf dem Feld tröpfchenweise mit Wasser versorgen. Eine komplexe Geometrie aus winzigen labyrinthartigen Kanälen, die nur Bruchteile eines Millimeters groß sind, sorgt dafür, dass an jedem Dripper gleich viel Wasser austritt, egal an welcher Stelle des manchmal mehr als hundert Meter langen Schlauches er sitzt. Ein exzellentes Beispiel dafür, wie ausgeklügelt die Bewässerungstechnik ist, die in Israel entwickelt wurde und mittlerweile weltweit eingesetzt wird. Dahinter steckt die Firma Netafim, lange Zeit ein „hidden champion, der sich inzwischen zum Weltmarktführer entwickelt hat“ betont Horn.
Eine derart fein dosierte Bewässerung ist unerlässlich, wenn die Ressource Wasser so knapp und wertvoll ist wie in Israel. „Es gibt kaum ein anders Land in der Welt, das so rigoros und weitsichtig seine Wasserversorgung plant“, sagt Horn. Die einzige nennenswerte Süßwasserquelle des Landes, der See Genezareth, füllt sich nicht mehr wie früher; Sparen ist angesagt. In der Landwirtschaft werden daher weder Trink- noch Grundwasser eingesetzt, sondern biologisch aufbereitetes Abwasser. Das ist effizient, führt aber in so empfindlichen, weil feinen und komplex aufgebauten Bewässerungssystemen wie dem Dripper zu Problemen. Denn es enthält beträchtliche Anteile an Kohlenstoffverbindungen, die das Wachstum von Mikroorganismen begünstigen. So werden die inneren Oberflächen des Drippers von Biofilmen bewachsen, die ihn im Laufe einiger hundert Stunden nach und nach verstopfen. In der Folge kommt es zu ungleichmäßiger oder ganz aussetzender Wasserzufuhr. Regelmäßiges Chloren oder Spülen mit Wasserstoffperoxid (H2O2) sind zwar wirksame Gegenmittel, „allerdings entstehen beim Chloren unerwünschte, weil ungesunde Beiprodukte wie Chloroform“, erläutert Horn. Deshalb untersucht ein deutsch-israelisches Forscherteam in dem Projekt „BioScIrr“, wie sich der Einsatz von Chlor durch ein Monitoring des Biofilmwachstums minimieren lässt.
BioScIrr ist eines von mittlerweile mehr als 130 Projekten im Bereich Wassertechnologie, die deutsche und israelische Forschergruppen seit 1974 gemeinsam bearbeitet haben. Es wird seit Juli 2013 für drei Jahre vom BMBF gefördert. Die Projektpartner von der Landwirtschaftlichen Fakultät der Hebräischen Universität Jerusalem unter Leitung von Professor Yona Chen und vom Lehrstuhl für Wasserchemie und Wassertechnologie am Karlsruher KIT kennen sich seit langem. „Schon unter meinem Vorgänger hat es eine intensive und gute Zusammenarbeit gegeben“, berichtet Horn. Neben dem regelmäßigen Austausch habe es im vorigen Jahr beispielsweise den sehr fruchtbaren Forschungsaufenthalt eines israelischen Doktoranden am KIT gegeben. In dem aktuellen Projekt sind auch zwei Industriepartner mit an Bord – neben Netafim aus Israel die Magdeburger Firma Lagotec, die bereits vor einigen Jahren den Biofilmsensor Deposens entwickelt hat. Er bestimmt die Dicke eines Biofilms über dessen wärmeisolierende Eigenschaften, indem die Wärmeentwicklung eines Heizimpulses über einen kleinen Rohrabschnitt gemessen wird.
Die Idee der Forscher ist, mithilfe von Deposens die Dicke des Biofilms zu überwachen und automatisch nur dann Reinigungsspülungen einzuleiten, wenn eine kritische Schwelle überschritten ist. Dabei wird der Sensor am Schlauch und nicht am komplex geformten Dripper angebracht. Mithilfe ihrer zusätzlichen Messungen von Durchfluss und Wasserqualität können die Forscher vom Zustand des Schlauchs auf den des Drippers schließen. Harald Horn hat dafür zusammen mit seinem Kollegen Michael Wagner am KIT eine 14 Meter lange Bewässerungsanlage im Labormaßstab aufgebaut, durch die sie zunächst künstlich gemischtes Abwasser leiten. Sie messen die Tröpfchenrate, bestimmen die Wirkung von Desinfektionsspülungen und untersuchen an einem speziell dafür gebauten Modell des Drippers mit optischer Tomografie, wie sich die Biofilme im Inneren ausbreiten. Im Sommer werden sie ihre Experimente dann an einer realen Kläranlage durchführen.
Die Kollegen um Yona Chen in Israel haben derweil erste Feldversuche in einer Versuchsanlage an der landwirtschaftlichen Station Lachish, etwa 50 Kilometer südlich von Jerusalem, unternommen. Mit höheren Durchflussmengen und stark schwankenden Temperaturen zwischen 10 und 50 Grad Celsius sind die Bedingungen für die Sensoren härter als im Labor.
„Unsere ersten Ergebnisse zeigen, dass die Messungen des Deposens gut mit dem Wachstum des Biofilms im Dripper korrelieren, sodass sie uns geeignet erscheinen, damit die Reinigungsspülungen zu triggern“, resümiert Horn. „So können Umweltbelastung und Kosten reduziert werden.“ Für die Reinigung erwies sich Chlor als effektiver gegenüber Wasserstoffperoxid. Aktuell arbeiten die Forscher an der Vorbereitung weiterer Feldexperimente und daran, den Sensor für den Einsatz unter härteren Feldbedingungen auszurüsten.
Das Wachstum von Biofilmen ist auch dort ein Problem, wo biologisch behandeltes Abwasser durch Filtrierung weiter gereinigt wird. Denn die dafür genutzten Membranen können ebenfalls verstopfen. Eine Maßnahme dagegen ist die Beschichtung der Membranen mit einem dünnen polymeren Hydrogelfilm, der den organischen Stoffen das Andocken erschwert. Dafür suchen Forscher um Viatcheslav Freger vom Israel Institute of Technology und Moshe Herzberg von der Ben-Gurion University of the Negev zusammen mit Mathias Ulbricht von der Universität Duisburg-Essen nach Strategien. Die Membranen stammen vom Industriepartner BASF/Inge.
Die Idee: Der Einsatz eines zweistufigen Verfahrens mit möglichst einfachen Molekülen. Zunächst wird eine dünne Haftschicht aufgebracht, die aus nur einer einzigen Lage Molekülen besteht. Diese sind so ausgewählt, dass sie auf der einen Seite gute Verbindung zur Membranoberfläche haben und auf der anderen Seite die Polymere binden können. Der Hydrogelfilm wird dann in Form einer wässrigen Lösung aufgebracht, die zwei Stunden einwirken muss. „Der Vorteil hierbei ist, dass wir dafür keine externe Energiezufuhr benötigen. So lässt sich auch das Innere von Kapillar-Membranen beschichten“, erläutert Mathias Ulbricht.
Die Forscher konnten zeigen, dass sich eine stabile und homogene Hydrogelschicht ausbildet, die die Anfälligkeit für das Wachstum eines Biofilms auf der Membran signifikant verringert und Reinigungsprozeduren erleichtert. „Das wird die Betriebskosten reduzieren, denn es erhöht die Lebensdauer der Membranen und verringert den Energieeinsatz“, resümiert Ulbricht. Wichtiges Augenmerk legen die Forscher darauf, neben der Anti-Fouling-Wirkung auch zu gewährleisten, dass die Durchfluss- und Filtereigenschaften der Membran durch die Beschichtung nicht beeinträchtigt werden. Außerdem gestalten sie das Verfahren so einfach, dass es auch in der industriellen Membranproduktion einsetzbar ist.
Während Mathias Ulbricht und Moshe Herzberg an porösen Ultrafiltrationsmembranen forschen, widmet sich Viatcheslav Freger Nanofiltrationsmembranen, die nicht porös sind. Er stellte fest, dass die Hydrogelschicht nicht immer stabil und gleichmäßig auf die Membran fixiert ist. Als Ursache vermuten die Forscher die unterschiedlichen Materialeigenschaften des Membranmaterials. Deshalb arbeiten sie zurzeit an einer Optimierung des Beschichtungsprozesses.