Von Karola Klatt
Der weltweit tödlichste aller Malaria-Erreger heißt Plasmodium falciparum. Eine Infektion mit diesem einzelligen Parasiten löst die gefährlichste Form der Malaria, die Malaria tropica, aus. Malaria wird auch durch andere Plasmodienarten hervorgerufen, die bei der Blutmahlzeit weiblicher Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen werden. Fast alle Todesfälle gehen jedoch zu Lasten von Plasmodium falciparum.
Für das Jahr 2015 meldete die Weltgesundheitsorganisation 214 Millionen Malariafälle weltweit mit geschätzt 438.000 Toten. 90 Prozent der malariabedingten Todesfälle ereignen sich in Afrika. Tödliche Verlaufsformen werden insbesondere bei Schwangeren, Neugeborenen und Kleinkindern in Ländern südlich der Sahara beobachtet. Für Kinder ist Malaria weltweit die gefährlichste Infektionskrankheit mit der höchsten Sterblichkeitsrate.
Resistenzen gegen Standardmedikamente
Behandelt werden Malariainfektionen heute standardmäßig mit artemisininhaltigen Kombinationspräparaten. Für die Entdeckung von Artemisinin als schlagkräftigem neuen Wirkstoff gegen Malaria wurde 2015 die Chinesin Youyou Tu mit dem Medizinnobelpreis geehrt, doch neuerdings werden zunehmend Resistenzen gegen den Wirkstoff beobachtet.
„Dass sich Resistenzen bilden, hat natürlich auch viel mit einer unsachgemäßen Verwendung zu tun“, erklärt Professor Conrad Kunick vom Institut für Medizinische und Pharmazeutische Chemie der Technischen Universität Braunschweig. „In den Ländern, in denen Antimalariamedikamente eingesetzt werden, hat das Gesundheitssystem oft keine gute Kontrolle über deren Einnahme. Die Medikamente müssten in Kombination, in entsprechender Dosis und über einen hinreichenden Zeitraum verwendet werden. Wenn sie aber auf Märkten frei erhältlich sind, dann kaufen sich die Leute nur so viel, wie sie sich gerade leisten können, und nehmen sie nur so lange ein, bis sie keine Symptome mehr haben. Eine solche Verwendung leistet der Entstehung von Resistenzen Vorschub.“
Auch wenn mit großem Aufwand an der Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria-Erreger gearbeitet wird, bietet der einzige bisher zugelassene Impfstoff RTS,S nur einen sehr beschränkten Schutz. „Auch wenn wir den Malaria-Erreger schon seit hundert Jahren kennen, haben wir immer noch keinen effektiven Impfstoff gegen ihn“, urteilt Professor Ron Dzikowski vom Department of Microbiology & Molecular Genetics an der medizinischen Fakultät der Hebräischen Universität Jerusalem. „Der Grund dafür liegt darin, dass der Erreger einen erstaunlichen Mechanismus entwickelt hat, Immunität zu verhindern.“ Dringend notwendig ist daher nach wie vor die ständige Suche nach alternativen Wirkstoffen mit neuen Wirkungsmechanismen, die zur medikamentösen Behandlung der Malaria eingesetzt werden können.
Machbarkeitsstudie: Neue Wirkstoffe
Die Identifikation neuer Wirkstoffe für Medikamente gegen Malaria war auch das Ziel der deutsch-israelischen Forschungszusammenarbeit zwischen Kunick und Dzikowski. Finanziert wurde ihr zweijähriges Vorhaben im Rahmen der German-Israeli Cooperation in Biotechnology (BIO-DISC) als sogenannte Machbarkeitsstudie, die zur Vorbereitung eines industriellen Forschungs- und Entwicklungsvorhabens dienen soll. Seit 2004 besteht die BIO-DISC-Förderschiene schon, die speziell dem in Deutschland und Israel entwickelten biotechnologischen Know-how den Weg in die Anwendung ebnen will. Sieben gemeinsame Auswahlrunden sind bereits abgeschlossen.
„In unserem Kooperationsprojekt hatten wir eine ganz klassische Rollenverteilung, wie sie in der pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung üblich ist“, erzählt Kunick. „Wir haben an der TU Braunschweig die medizinische Chemie gemacht, das heißt computergestützt neue Moleküle entworfen, Synthesepläne ausgearbeitet und erprobt, die Verbindungen gereinigt und charakterisiert und sie für die Testung an die Hebräische Universität nach Jerusalem geschickt. Die israelischen Partner haben die biologischen Verfahren beigetragen. Dazu gehört die in vitro Testung der Wirkstoffe an der erythrocytären Form des Erregers, die Untersuchung der Selektivität gegenüber menschlichen Zellen, und Nachweisverfahren im Rahmen der molekularen Pharmakologie.“
Leuchtende Erreger
Dzikowski war mit seiner Arbeitsgruppe der ideale Partner, weil sie in ihrem Labor ein modernes Verfahren für das Testen von Wirkstoffen an Plasmodium falciparum entwickelt hatten, das sich schnell und ökonomisch anwenden lässt. Diese Testmethodik arbeitet mit genetisch veränderten Plasmodien, die Luciferase exprimieren. Dieses Enzym führt zu einer biochemischen Reaktion, die Aufleuchten der Erreger hervorruft. Setzt man diese Plasmodien einer Testsubstanz aus, lässt sich anhand der Lichtintensität messen, wie viele Erreger noch vorhanden sind. Mit anderen Worten: Je weniger es leuchtet, um so wirksamer war die Substanz.
Die Strategie der Arbeitsgruppe um Professor Kunick bei der Suche nach neuen Wirkstoffen ist die Hemmung von Proteinkinasen. Diese phosphatgruppenübertragenden Enzyme sind an vielfältigen biologischen Regelungsmechanismen beim Wachstum von Zellen beteiligt. Durch ihre Hemmung wird das übermäßige Wachstum von infektiösen Erregerzellen gestoppt. Die neuen Stoffe, die im Rahmen des Projektes an der TU Braunschweig synthetisiert wurden, haben keinerlei Ähnlichkeiten in der chemischen Struktur zu etablierten Antimalariawirkstoffen, so dass Kreuzresistenzen wenig wahrscheinlich sind. Gleichzeitig besteht bei einem solchen Vorgehen immer auch das Risiko, dass eine zunächst ausgewählte Stoffklasse nicht entwicklungsfähig ist oder sich als völlig unbrauchbar erweist. Deshalb wurden parallel Stoffe verschiedener Moleküllinien entworfen, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen kamen.
Die erste Stoffklasse hatte sich bereits in einer vorangegangenen Zusammenarbeit mit der Gruppe um Professor Dzikowski als wirksam gegen Plasmodien erwiesen und man wusste genau, welche Zielstruktur im Erreger von der Substanz angegriffen wurde. Hier wurde mit der Weiterentwicklung bewiesen, dass sich die Substanz weiter verbessern lässt.
Zwei weitere Moleküle entnahmen die Forscher einer öffentlich zugänglichen Datenbank für vermutete Antimalariawirkstoffe. Die eine Stofflinie erwies sich jedoch als völlig inaktiv. Auch alle Veränderungen der Struktur, die vorgenommen wurden, waren unwirksam. „Damit haben wir die Machbarkeit für diese Wirkstoffklasse eindeutig widerlegt“, fasst Kunick zusammen. Die zweite Moleküllinie aus dem Pool an vermuteten Antimalariastoffen konnten die Forscher hingegen so weit verbessern, dass sie zu einer Substanz gelangten, die sehr potent und auch gut wasserlöslich ist und damit ideale Voraussetzungen für weiterführende Tierversuche bietet.
Zum Patent angemeldet
Die letzte Moleküllinie schließlich entstammte dem Substanzpool des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Chemie der TU Braunschweig. Sie war vorher noch nie in Verbindung mit Antimalaria-Aktivität gesehen worden, ließ sich aber im Rahmen des Kooperationsprojektes so weit entwickeln, dass die Substanz nun sehr potent und auch sehr selektiv für Plasmodium falciparum ist, das heißt, sie greift den Erreger an, beeinflusst humane Zellen dagegen nicht.
Diese Stoffklasse, die Bisindolylcyclobutendione, konnte schließlich sogar zum Patent angemeldet werden. „ Die bilaterale Patentanmeldung zeigt, dass auch eine kommerzielle Verwertungsmöglichkeit für diese Substanzreihe bestehen könnte“, stellt Kunick fest. Die finanziellen Aufwendungen für die Patentanmeldung wurde wie die eigentliche Entwicklungsarbeit durch den Förderetat des BIO-DISC-Kooperationsprojektes unterstützt.
Nächste Stufe: Nachweis im Tiermodell
Trotz dieser Erfolge ist der Weg zur industriellen pharmazeutischen Verwertung noch weit, wie Kunick erklärt: „Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels kostet hunderte Millionen US-Dollar. Das kann sich natürlich keine akademische Forschungsgruppe leisten und auch die meisten Firmen sind sehr zurückhaltend, wenn es um die Entwicklung von Arzneimitteln geht, die in den ärmsten Ländern der Welt eingesetzt werden sollen, weil man damit wahrscheinlich wenig Geld verdienen kann.“ Zum Glück gibt es starke gemeinnützige Institutionen wie die 1999 gegründete Stiftung Medicines for Malaria Venture, eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf, deren Ziel es ist, in public-private Partnership neue, wirksame und erschwingliche Malariamedikamente zu entwickeln und bereitzustellen.
Diese Organisation, die von Regierungen, internationalen Organisationen, privaten Stiftungen, Unternehmen und Unternehmensstiftungen sowie von Privatleuten finanziert wird, steigt jedoch erst ein, wenn ein Wirkstoff schon durch die präklinische Entwicklung hindurch ist und die ersten positiven Ergebnisse aus Tierversuchen vorliegen. „Wir befinden uns noch in einer Art Zwischenphase“, stellt Kunick fest. „Für unseren patentierten Wirkstoff müssten wir jetzt Tierversuchsergebnisse vorlegen, um bei Medicines for Malaria Venture eine Chance auf weitere Entwicklungsförderung zu haben. Gegenwärtig sind wir auf der Suche nach einer Förderung für diese Tierversuchsstudien.“
Für die Menschen in den am schlimmsten betroffenen Ländern südlich der Sahara bleibt zu hoffen, dass innovative Medikamente gegen Malaria, denen neue Wirkmechanismen zugrunde liegen, schnell genug ihren Weg in die Anwendung finden. Und wer weiß, vielleicht bekommt auch ein deutsch-israelisches Forscherteam einmal eine Würdigung für die Entdeckung der Bisindolylcyclobutendione.