Batterieforschung und Nanotechnologie: Forschungswettlauf um die Energiespeicher von morgen

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Gastautorin: Ulla Thiede

Deutsche und Israelis kooperieren eng in Batterieforschung und Nanotechnologie. Beide sind Schlüsselfelder auf dem Weg zur Elektromobilität. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt jährlich mehr als 250 Millionen Euro für Forschungsprojekte in diesen Bereichen bereit. Viele Kooperationen sind international.

„Das Entwickeln von Batterien ist eine wirkliche Via Dolorosa“, erklärt Doron Aurbach mit einem Augenzwinkern. Denn es geht hier nicht um Leiden, sondern um Leidenschaft. Die hat der israelische Elektrochemiker, Oberflächenforscher und Chemieingenieur Aurbach, der an der Bar Ilan Universität in Ramat Gan forscht, vor über drei Jahrzehnten entdeckt. Der Mann mit der Kippa und dem weißen Bart will der Menschheit dabei helfen, von fossilen Brennstoffen als Energiequelle wegzukommen. Die Elektromobilität ist dabei ein Mittel zum Ziel. Doch wer den Verbrennungsmotor durch den Elektroantrieb dauerhaft ersetzen will, braucht geeignete Traktionsbatterien.    

Weltweit wetteifern Forscher, Industrie und Startups darum, wer das Batteriesystem der Zukunft entwickelt – kostengünstig, sicher, leichter und kompakter als heute. Noch ist die Reichweite einer Batterieladung zu kurz, die Energiedichte zu gering und die Lebensdauer nicht zufriedenstellend. Internationale Kooperationen sollen helfen, den Durchbruch zu beschleunigen. Regierungen stellen dafür Forschungsgelder bereit, allein das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt die Batterieforschung im Rahmen ihres Dachkonzepts „Forschungsfabrik Batterie“ (beschlossen Ende 2018) mit rund 500 Millionen Euro.

Auch Aurbach ist grenzüberschreitend vernetzt: „Viele meiner Partner sind in Deutschland. 1996 begann ich eine jahrelange Zusammenarbeit mit der Firma Merck in Darmstadt.“ Das Unternehmen stellte erstmals Elektrolyte in großen Mengen her, um sie zu kommerzialisieren. Elektrolyte sind chemische Verbindungen, die als elektrisches Leitmaterial dienen und Bestandteil jeder Batterie sind. „Dass ein solcher Konzern in die Elektrolyteproduktion einstieg, war ein riesiger Schritt, weil es die Batterieforschung billiger machte und Labors weltweit Arbeit ersparte“, erklärt Aurbach, der das „Nano Clean Tech Center“ am Institut für Nanotechnologie der Bar Ilan Universität leitet. Außerdem steht er dem Israeli National Research Center for Electrochemical Propulsion (INREP) vor, dem 15 Forschungsgruppen an vier Universitäten angehören.

Während Lithiumionen-Akkumulatoren derzeit die ausgereifteste Technologie bieten, um in E-Fahrzeugen verwendet zu werden, forscht Aurbachs Gruppe gleichzeitig an Magnesium-Batterien, Lithium-Sauerstoff-Batterien, Lithium-Schwefel-Batterien und Schwefel-Kondensatoren. „Wir haben eine panoramaartige, umfassende Forschungserfahrung bei Energiespeichern“, sagt Aurbach, der inzwischen eng mit BASF kooperiert. „Mehr als ein Drittel meiner Forschungsarbeit ist mit dem Ludwigsburger Unternehmen verknüpft.“ Über die Deutsch-Israelische Projektkooperation (DIP) und die Deutsch-Israelische Stiftung für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (GIF) verbanden ihn Forschungsvorhaben mit Joachim Maier, Direktor des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung in Stuttgart, sowie aktuell mit Volker Presser vom Leibniz-Institut für Neue Materialien. Seit neuestem arbeitet Aurbach mit Martin Winter zusammen, dem Leiter des MEET Batterieforschungszentrums der Universität Münster und des Helmholtz-Instituts Münster des Forschungszentrums Jülich.

„Batterie, Brennstoffzelle oder Superkondensator sind Wege, um im Verkehrswesen weg vom Öl zu kommen“, erklärt Ilana Lowi vom israelischen Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Raumfahrt (MOST). „Doch die Forschergemeinschaft in den fraglichen Disziplinen ist in beiden Ländern relativ klein.“ Die Nase vorn haben Wissenschaftler und Hersteller in Japan, Südkorea und China. Um mehr junge Forscher in Israel und Deutschland für alternative Antriebstechnologien und Energiespeicherung zu begeistern, fand im Oktober 2014 die erste German-Israeli Battery School (GIBS) in Tel Aviv statt, im April 2016 folgte die zweite in München. Dabei diskutierten Doktoranden beider Länder mit Batterieforschern über ihre Erfahrungen. Beteiligt sind unter anderem das MEET, die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Tel Aviv University (TAU) und Bar Ilan.

Emanuel Peled von der TAU hat schon Geschichte geschrieben: „Ich habe weltweit als erster wiederaufladbare Lithium-Schwefel-Batterien gebaut“, erklärt der Batterieforscher. Allerdings war das vor 25 Jahren. „Wir hatten Probleme mit der Lebensdauer, kamen nicht weiter und haben die Experimente eingestellt.“ Vor einigen Jahren griff Peled die Technologie wieder auf und untersuchte im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Horizont 2020 Lithium-Schwefel-Batterien. Am HELIS-Projekt sind von deutscher Seite unter anderem die Fraunhofer-Gesellschaft, Max-Planck-Institute sowie die Universität Münster beteiligt. „Wir machen jeden Monat Fortschritte.“ Und die Forscher veröffentlichen emsig: Monatlich, so Peled, erscheinen weltweit 150 neue Wissenschaftsartikel zu Lithium-Schwefel-Batterien. Sie sollen in einigen Jahren die nächste Generation an Autobatterien anführen.

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Batterien spielt die Nanotechnologie, von der sich Wissenschaftler Lösungen für viele globale Herausforderungen erhoffen. Sie ist keine eigene Disziplin, sondern eine Technologie, die in so unterschiedlichen Bereichen wie Medizin, Kommunikation, Umwelt, Verkehr und Ernährung zum Einsatz kommt. Nano heißt Zwerg, und bei der Nanotechnologie arbeiten Wissenschaftler auf der Ebene von Atomen und Molekülen. Dabei entwickeln sie neue Materialien, die aufgrund der Winzigkeit der verwendeten Partikel teilweise neue Eigenschaften aufweisen, die wir an ihnen in der normalen Größe nicht kennen.

Das BMBF fördert Projekte mit Bezug zur Nanotechnologie. Auch in diesem Bereich werden deutsch-israelische Forschungsvorhaben unterstützt. Anfang 2018 starteten zwölf gemeinsame Projekte. Beide Länder investieren jeweils etwa 8 Millionen Euro in die Projekte mit dreijähriger Laufzeit. Das Mid-term Meeting zur bilateralen Bekanntmachung fand im Februar 2019 in Bonn statt. Eine Abschlussveranstaltung ist für 2021 in Israel geplant.

Nanotechnologie kommt auch zum Tragen beim Projekt ELASTISLET, das über das europäische Forschungsprogramm Horizon 2020 finanziert wird. Der Biologe Yuval Dor von der Hebräischen Universität in Jerusalem erklärt das Vorhaben: „Wir erforschen Zelltherapien bei Diabetes-Erkrankungen. Gesucht wird nach einem Kapselmaterial für Betazellen, die aus Stammzellen gezüchtet oder gehirntoten Patienten entnommen werden.“ Betazellen produzieren im Körper von Gesunden das lebensnotwendige Insulin, das Diabeteskranken fehlt. Daher sollen diese Zellen den Kranken eingepflanzt werden. „Um eine Abstoßung durch das Immunsystem zu verhindern,  entwickelt unser Konsortium Nanomaterial, das die neuen Zellen ummantelt.“ Über ELASTISLET steht Dor in Kontakt mit der deutschen Firma Axiogenesis in Köln.

Als in Europa führende Organisation für angewandte Forschung hat die Fraunhofer-Gesellschaft großes Interesse an dem neuen deutsch-israelischen Forschungsprogramm in Nanotechnologie. Adelheid Adam, die bei Fraunhofer für die Geschäftsentwicklung Nordafrika und Naher Osten zuständig ist, berichtet, dass sich die Wirtschaftserträge aus Israel 2015 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt hätten. Dabei umfassen die Kooperationen nicht nur Nanotechnologie, sondern etwa auch die Batterieforschung (siehe HELIS). Neben den EU-Förderprogrammen nutzt Fraunhofer in Zusammenarbeit mit Israel insbesondere die interministerielle Kooperation (BMBF-ECONOMY-MOST).

Im September 2016 hatten israelische und deutsche Wissenschaftler im Rahmen eines Kolloquiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Tel Aviv Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Die Tagung stand unter dem Titel „Bridges to the Future: German-Israeli Scientific Relations“. Wie AvHS-Präsident Professor Helmut Schwarz berichtete, hat die Stiftung seit Ende der 1950er Jahre 297 israelische Humboldtianerinnen und Humboldtianer gefördert. „Besonders auffallend ist, dass der Anteil der Preisträgerinnen und Preisträger aus Israel überdurchschnittlich hoch ist. Die Stiftung sieht jedoch noch größeres Potenzial, israelische Early Career Researchers für ihre Programme zu gewinnen“, erklärte Schwarz.

Auf die Förderung junger Forscher zielte auch der Arches Award ab, den die Minerva-Stiftung bis 2019 jährlich an zwei deutsch-israelische Teams vergab. Pro Gruppe betrug das Preisgeld 200.000 Euro. 2019 gingen die Preise an die Forschungsteams von Dr. Miriam Goldstein, Hebrew University und Prof. Ronny Vollandt, LMU München; Prof. Rafal Klajn, Weizmann Institute und Prof. Andreas Walther, Universität Freiburg; sowie Prof. Asya Rolls, Technion, Haifa und Dr. Ozgun Gokce, LMU München.

„Wir sind ein kleines Land“, erklärt Batterieforscher Aurbach auf die Frage, was Israelis antreibt, mit Deutschland zu kooperieren. Da brauche man starke Partner. Die Batterieproduktion im großen Stil wie die Asiaten könne Israel nie leisten. Es sei fast eine philanthropische Einstellung: „Unsere Wissenschaft soll dazu beitragen, dass die Menschheit Elektroautos fährt.“ Fragt sich noch, wer den Quantensprung schafft.