Kommunikation zwischen den Zellen: Wie Tumorzellen ihre Umgebung manipulieren

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Gastautorin: Stefanie Reinberger, Journalistenbüro Schnittstelle

Zellbiologen aus Tel Aviv und Molekularbiologen aus Heidelberg bündeln ihr Know-how, um die Mechanismen zu ergründen, die den schwarzen Hautkrebs so gefährlich machen – und um bessere Therapieansätze zu finden.

Körperzellen sind keine isolierten Bausteine, die unabhängig voneinander im Gewebe sitzen. Vielmehr stehen sie im ständigen Austausch: Sie erhalten Informationen über den Zustand der Nachbarzellen und des gesamte Gewebeverbands, und sie senden einander Signale, um beispielsweise die Entwicklung zu koordinieren oder Stoffwechselprozesse aufeinander abzustimmen. So sorgen sie letztlich dafür, dass der Organismus optimal funktioniert.

Auch Tumoren beteiligen sich an diesem Informationsaustausch zwischen den Körperzellen. „Das ist zunächst einmal ein ganz natürlicher Vorgang“, betont Jörg Hoheisel, Leiter der Abteilung Funktionelle Genomanalyse im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Und doch stellen Tumoren einen kommunikativen Sonderfall dar: Denn statt mit ihren Signalen zum gesunden Funktionieren des Körpers beizutragen, scheinen sie ihre Umgebung zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren und so optimale Überlebens- und Wachstumsbedingungen für sich zu sichern.

Fatale Signale aus der Oberhaut

Spezialistin dafür, wie derartige Kommunikationsprozesse zum Entstehen und zur Ausbreitung von Hautkrebs, dem malignen Melanom, beitragen, ist Carmit Levy, Gruppenleiterin in der Abteilung für Humangenetik und Biochemie der Universität Tel Aviv. Das maligne Melanom gilt als gefährlichster Hauttumor und gleichzeitig als tödlichste Hauterkrankung überhaupt – bei weltweit steigender Zahl an Neuerkrankungen. Melanome entstehen aus entarteten Pigmentzellen, so genannten Melanozyten. Sie neigen bereits in einem recht frühen Erkrankungsstadium dazu, sich über Blut- und Lymphbahn im Körper zu verbreiten und Metastasen zu bilden, bösartige Absiedelungen in anderen Organen. Oftmals erweisen sie sich zudem als therapieresistent.

Besonders kritisch für das Fortschreiten der Erkrankung ist das Einwandern der entarteten Pigmentzellen aus der Oberhaut, fachlich Epidermis genannt, in die darunter liegende Lederhaut, die Dermis. Diese ist im Gegensatz zur Oberhaut mit Blutgefäßen durchsetzt – die Voraussetzung dafür, dass der Tumor streuen kann. „Bevor Melanomzellen in die Dermis einwandern, richten sie sich überraschenderweise zunächst nach Oben aus, bevor sie dann die Richtung wechseln und invasiv werden“, beschreibt Levy die Besonderheit an diesem Schritt. Das sei eigentlich unlogisch: Weshalb sollten Tumorzellen Energie verschwenden, um zunächst nach oben zu wachsen, bevor sie in tiefere Hautschichten einwandern? „Das hat bei mir den Eindruck geweckt, dass es in der Mikroumgebung des Tumors einen Auslöser geben muss, der die Melanomzellen invasiv macht“, erklärt die israelische Wissenschaftlerin.

Sie machte sich mit ihrem Team auf die Suche nach einem solchen Auslöser und wurde fündig. Vergleiche zwischen gesunden und kranken Hautproben haben gezeigt: Keratinozyten, die hornbildenen Zellen der Oberhaut, senden einen Liganden aus, ein Molekül, das einmal an die Melanomzelle angedockt, dort einen Signalweg ankurbelt, der diese schließlich in invasive Tumorzellen verwandelt.

Miniatur-Botschaften unterstützen den Krebs

Die Forscherin aus Tel Aviv beobachtete aber noch mehr: Auch der Tumor selbst sendet Signale in seine Umgebung. Eine wichtige Rolle spielen dabei kleine RNA-Schnipsel, so genannte Mikro-RNAs (miRNAs), die in vielfacher Weise die Regulation von Genen und damit das Verhalten einer Zelle beeinflussen können.

Doch um die molekularbiologische Botschaft solcher miRNAs zu enträtseln, bedarf es einer Menge Spezialwissen. An dieser Stelle kam Jörg Hoheisel ins Spiel. „Ich brauchte einen Kooperationspartner, der das Know-How für die Analyse von miRNA hat, und Jörg Hoheisel war der beste, den ich finden konnte“, sagt die Zellbiologin. Die beiden Teams in Tel Aviv und Heidelberg ergänzen sich ideal: Hier die Spezialisten für maligne Melanome und Vorgänge auf der Zellebene, dort die Experten für miRNA und Genomanalysen.

„Ich habe bis dahin nie an Melanomen geforscht“, verrät Hoheisel, in dessen Arbeit in Heidelberg eigentlich der Bauchspeicheldrüsenkrebs im Vordergrund steht. „Aber prinzipiell lassen sich unsere Methoden und Analyseverfahren auf jede Krebsart anwenden, und die Fragestellung, die Carmit Levy verfolgt, finde ich absolut spannend.“ Der DKFZ-Forscher brauchte daher nicht lange zu überlegen und willigte in die Kooperation ein.

Krebsforschung Hand in Hand

Seit drei Jahren arbeiten die Zellbiologin aus Tel Aviv und der Heidelberger Molekularbiologe bereits zusammen. „Zunächst haben wir uns über lange Strecken intensiv per E-Mail ausgetauscht, aber je konkreter das Projekt wurde, umso wichtiger wurde der persönlich Austausch“, umschreibt Hoheisel rückblickend die gemeinsame Arbeit. So reisen Mitarbeiter aus beiden Gruppen immer wieder für längere Zeit ins jeweils andere Labor, um gemeinsam Experimente durchzuführen.

Hand in Hand arbeiten die Wissenschaftler aus Heidelberg und Tel Aviv daran, das Geheimnis der miRNA-Botschaften zu lüften. Das deutsch-israelische Team ist der Überzeugung, auf diesem Weg, molekularbiologische Mechanismen aufzudecken, die zur Entwicklung des Tumors beitragen und ihm Vorteile verschaffen – beispielsweise die enorme Widerstandskraft des malignen Melanoms gegen viele sonst erfolgreiche Krebstherapien. Genau wie schon die Ergebnisse zur Metastasierung, könnte dies dazu beitragen, bessere Therapieansätze für eine erfolgreichere Behandlung des gefürchteten schwarzen Hautkrebses zu entwickeln.